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Interview mit Bob Bowman - Schwimmen
Trainer von Michael Phelps (USA)
Bob Bowman schloss sein Studium 1987 als Bachelor für Entwicklungs-Psychologie und Musikkomposition an der Florida-State-University in Tallahassee ab. Seit 1988 arbeitet Bowman als Assistenz- und Chef-Trainer verschiedener Vereine in den USA. TRAININGSINHALTE UND -PHILOSOPHIE Die Erfolgsbilanz eines Michael Phelps ist wirklich einzigartig. Was ist das Besondere an Ihrem Programm ? Beim NBAC pflegen wir eine Kultur der Spitzenleistung. Darin erklären wir den Athleten offen und ehrlich, was wir von ihnen verlangen - wir erwarten harte Arbeit! D.h., wir fahren weder einen Kuschelkurs noch sorgen wir dafür, dass alles perfekt für die Athleten ist. Sondern wir geben unseren Schwimmern das Programm, lehren sie, Ziele zu setzen, und verlangen, dass sie sich in den Prozess voll einbringen. Ich denke, diese Geradlinigkeit und Klarheit sind das Wichtigste. Gibt es bei Ihnen besondere Trainingsinhalte ? Unsere Trainings-Programme sind alles andere als einzigartig oder sehr innovativ. Wir ändern auch nicht ständig die Inhalte, um das Interesse der Athleten zu behalten. Und wenn ich Ihnen erzähle, dass wir soundso oft 800 Meter oder bestimmte Serien schwimmen, dann ist das ist relativ normal. Stattdessen legen wir bei unserem Training Wert auf solide und wissenschaftlich abgesicherte Trainingsinhalte. Nur die Art und Weise, wie wir das klar strukturierte Programm den Kindern und Jugendlichen anbieten, bildet die Basis für Erfolge. Und mit den Erfolgen steigt die Motivation für unser Programm. |
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TRAININGSPROGRAMM - TEAMSPIRIT
Wie können wir uns die Atmosphäre bei Ihrem Training vorstellen ? Während unseres Trainings herrscht eine ernsthafte, konzentrierte Atmosphäre. Die Athleten wissen, um was es geht, und wir geben ihnen regelmäßig spezielle Aufgaben, die sie bewältigen müssen. So bekommen sie bereits im Training ein Verständnis für Druck und lernen, damit umzugehen. Michael Phelps ist auch ein Teil dieses Programms. In welchem Alter stieg er bei Ihnen ein und wie hat er die Anfänge erlebt ? Michael war 8 Jahre alt, als er bei uns anfing. Wenn er ins Training kam, sah er die älteren Jugendlichen schwimmen und erlebte zwei olympische Goldmedaillen-Gewinner im Pool. Sie haben sich immer gegrüßt und gegenseitig sehr respektiert. Heute ist Michael Phelps in der Schwimmwelt ein Superstar, aber in unserem Trainingsprogramm ist er für die jungen Athleten einer von ihnen. Z.B. stoßen unsere 8-Jährigen "ihren Kumpel" beim Verlassen des Pools immer an die Schultern. Was bewirkt dieser direkte Kontakt zu einem Top-Athleten ? Durch diese Nähe zu den Topschwimmern denken unsere jungen Schwimmer "ich werde auch mal so gut sein". Sie beginnen zu glauben "wenn er bei den Olympischen Spielen war, dann schaffe ich das auch". Wir haben es über Jahrzehnte geschafft, solche Vorbilder in unser (gesamtes) Programm zu integrieren und dadurch die jungen Schwimmer zu motivieren. |
Training Bob Bowman
& Michael Phelps |
WETTKAMPFSIMULATION - BEWUSSTES TRAINING
Was bringt diese Härte im Training und worauf sollte man achten ? Wir nutzen das Training als Vorbereitung, bzw. Simulation von Wettkämpfen. In einem Olympischen Finale bekommt man auch nur eine Chance - entweder man nutzt sie oder nicht. In unserem Programm setzen wir die Schwimmer immer wieder psychisch unbequemen Situationen aus und sie lernen, diese zu bewältigen. Wichtig ist bei allen Aufgaben, dass sie im Rahmen der individuellen Möglichkeiten liegen und machbar sind. Wir wollen die Schwimmer unter Druck setzen, sie abhärten, aber nicht überfordern. Meiner Meinung nach wirkt das Bewältigen schwieriger Situationen sich positiv auf die Wettkampfhärte und das Selbstvertrauen eines Athleten aus. Wie viel Verständnis für den Trainingsplan und die Ziele dahinter haben Ihre Schwimmer ? Unsere Schwimmer sollten die Ziele genau kennen und ich erkläre sie ihnen sehr deutlich. Außerdem habe ich eine Regel: Wenn jemand nicht versteht, was von ihm gefordert wird, dann sollte er es einfach lassen. Für meine Begriffe ist das Verständnis der Trainingsinhalte und der Ziele sehr wichtig, weil die Athleten so viel bewusster und gezielter trainieren. |
60 Minutes Interview with Michael Phelps
& Bob Bowman, CBS TV |
MÜNDIGE ATHLETEN - UMGANG MIT SCHWIMMERN
Warum reicht es Ihnen nicht, wenn Ihre Schwimmer Befehle empfangen und danach handeln ? Für mich ist ein Athlet, der lediglich Anweisungen befolgt und weder Verantwortung übernimmt noch mitdenkt, nur Befehlsempfänger. Aber je besser die Leistung eines Athleten wird, desto mehr wird die ganze Person gefordert. Daher arbeite ich daran, dass unsere Athleten erkennen (lernen), wer Sie sind, und wissen, was Sie erreichen wollen. Wenn ein Athlet in die internationale Spitze gelangt, wachsen die Anforderungen und der Druck. Auf diesem Niveau kann man sich nicht (nur) auf andere Leute stützen, sondern muss sich auf sich selbst und seine Leistungsfähigkeit verlassen (können). Ein "mündiger Athlet" bzw. die Persönlichkeit eines Sportlers entwickelt sich mit der Zeit. Sprechen Sie viel mit Ihren Athleten und verbringen Sie viel Zeit mit Ihnen ? Wir sprechen vor und nach dem Training oder auf Wettkampfreisen miteinander. Wenn die Athleten einen entsprechenden Bedarf haben, mit mir reden wollen oder meine Hilfe brauchen, tue ich das gerne. Aber grundsätzlich bin ich der Trainer für meine Schwimmer und fungiere nicht als deren Eltern. Daher versuche ich, eine gewisse Distanz zu halten und mich nicht ins Privatleben einzumischen. D.h., wenn sie den Pool verlassen, soll(t)en sie ihre Freiheiten genießen, einen Freundeskreis und ein eigenes Leben aufbauen. Solange sich das Privatleben mit der Lebensphase des Leistungssports ergänzt, kann ich mich nur auf meine Aufgaben als Trainer konzentrieren. Quelle: Pfaff, E. (2012). "Unsere Trainings-Programme sind alles andere als einzigartig oder sehr innovativ." Leistungssport, 42 (2), P. 57-62. www.leistungssport.net |